+++ COM-LOG, 2.1 [ 19 ] +++ STARDATE 49610,4

Ich bin müde. - Die Ausbildung meiner Schwester erfordert viel Geduld, Feingefühl und absolute Konzentration. Die vulcanischen Mentoren sind eine unschätzbare Hilfe, aber den spezifischen Lernprozeß meines Volkes können sie nicht ersetzen. - Hoffentlich verlange ich nicht zu viel von ihr.

Torana gibt sich große Mühe und ich kann wirklich sehr stolz auf sie sein. Nur - an manchen Tagen widersetzt sie sich unserer Kontrolle, ist ungeduldig und auch eigensinnig, will nicht einsehen, daß sie ihr Potential nicht einmal annähernd ausspielen darf. Sie muß lernen, sich nicht von Emotionen leiten zu lassen. - Die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Veränderung darf nicht zum Handeln verleiten, so leicht dies auch erscheinen mag!!!

Daß wir sie mit nach Mintaka 3 nahmen, war eine harte Lektion für sie.

Die einfach lebende Spezies, entfernte Verwandte der Vulkanier und Romulaner, besitzt ein reiches Entwicklungspotiential - spürbar, greifbar... Ein falsches Wort, eine falsche Geste - und man hätte uns für Götter gehalten!

So lernte sie, wie man unerkannt bei solch einem Volk lebt und direkten Anteil an seinem Leben nimmt. Und sie begriff schließlich, daß schon ein Lächeln zur richtigen Zeit eine positive Veränderung bewirken kann.

Vid begleitete uns, zeigte sich sichtlich beeindruckt von der Art, wie wir Reisenden unsere Erfahrungen sammeln und war äußerst diszipliniert und aufmerksam. Vielleicht wäre es interessant für euch alle gewesen, Vid so völlig ernsthaft zu erleben...

Ihr hättet die nahezu entsetzten Augen meines Freundes sehen sollen, als ich mit meinem Bogen einen Hornbock schoß. (Auch das gehört für mich ganz selbstverständlich zu meinem Leben als Erfahrungen Suchender unter fremden Völkern dazu.) Das Fleisch, das ich am offenen Feuer briet und mit Kräutern würzte, mußte ich mit den Mintakanern allein essen. Weder Vid noch Torana konnten sich überwinden, davon zu probieren.

Wir verbrachten knapp drei Wochen in einer kleinen Bergsiedlung, gaben uns als Händler aus und lernten die Gastfreundschaft der Mintakaner kennen. - Auf der Suche nach fremden Spuren stieß ich unter anderem auf eine inaktive Beobachtungsstation mit den typischen Signaturen der Föderation. Meine Schwester interessierte sich sehr für diese Art der Erforschung fremder Kulturen, erkannte aber recht schnell die Nachteile, falls die Tarntechnik versagen sollte.

Unsere eigene Technologie ist um Vieles fortgeschrittener und ermöglicht direkten Kontakt mit geringem Fehlerpotential. Natürlich gab es einige Vorkommnisse, bei denen der Holoprojektor versagte, doch für solche Fälle existieren einige Ersatzsysteme. Auch ermöglichen die Portale ein rasches Ausweichen.

Vid wird sicher bald wieder hier bei uns auftauchen. Wir wollten nämlich zusammen die Blüte der Feuergräser auf Xalan sehen, die Ammoniakseen von Lassak, eine Supernova im Suk'Ekar-System und noch einmal die schwebenden Felsen von Edarian Prime...

Letzteres Abenteuer hatte es Vid besonders angetan, gab es doch im Gegensatz zu den sonstigen Besichtigungen mal richtig etwas zu tun! - Sorgen um Vid hatte ich bei dieser schwierigen Mutprobe nicht, es war nur ein seltsamer Anblick, einen gewissen "Edarianer" NEBEN dem einen oder anderen Felsen im Nichts stehen zu sehen... Daß ich mir das zutraute lag nur daran, daß ich im Verlauf meiner vorigen Reisen durch den Umgang mit den verschiedensten Waffen und Kampftechniken eine außerordentlichen gute Körperbeherrschung erworben habe.

Meine Schwester konnte uns dorthin nicht begleiten. Ihre Ausbildung befand sich zu dieser Zeit in einer überaus wichtigen Phase, die absolute Konzentration und spezielle Übungen erforderte - die Steuerung unserer Begleittechnik durch Gehirnströme. Da meine einführenden Prozeduren von den vulkanischen Ausbildern weitergeführt wurden, konnte ich die Zeit nutzen, um mit meinem Freund einige seltsame Dinge zu tun...

Mein Freund, Torana möchte Dir einige Zeilen schreiben.

Torana, 1. Brief

 

+++ COM-LOG, 2.2 [19] +++ STARDATE 49710,8

Eine neue Datei von Vid ist bei mir eingetroffen, mit ihr einige andere von meinen neuen Bekannten. - Sie wissen bisher nur wenig über mich. - Inzwischen habe ich mich auch damit angefreundet, daß meine Dateien mehreren Personen zugänglich wurden. Es war nicht beabsichtigt, da ich anfangs nur an Vid schrieb. Der Zufall wollte es anders...

***

Vid, mein Freund, Deine Zeilen verwirren mich. Die Gedanken darin sind so sprunghaft und kreisen dennoch um ein einziges Thema: Krieg.

Was ist nur los in diesem Quadranten? Alle fühlen sich im Recht, sich über andere zu erheben. Die Fronten wechseln, ebenso die Gegner...

In Deinen Zeilen lese ich Ärger und Enttäuschung. Du hast aber recht, ändern kannst Du wohl kaum etwas. Im Endeffekt bleibt wohl alles unberührt. - Hilft man den einen, so sterben die anderen und umgekehrt. Du stehst zwischen diesen Fronten, denn Deine Bekannten gehören verschiedenen Gruppierungen an. Sie kommunizieren miteinander - einzeln. Wo bleibt die Verständigung im Ganzen?!

Du hast Angst, die Zukunft dieser Welten zu sehen, so sehr befürchtest Du deren Untergang. - Wie lange werden diese Zivilisationen existieren können, wenn sie nicht lernen, sich als Teil des ganzen Universums zu begreifen? Sie betrachten ihre Unterschiede, um sich voneinander abzugrenzen. Wäre es nicht an der Zeit, die Gemeinsamkeiten zu suchen?! - Jede Spezies ist etwas Einmaliges, Besonderes. Sie durchlebt Entwicklungen und Rückschritte. Wir betrachten sie alle als gleichwertig und wertvoll und trauern um jede Kultur, die untergeht, sei es durch fremde oder eigene Schuld...

Du hast als Energiewesen die Grenze überschritten und beginnst zu begreifen, was die wahre Natur des Universums ist. Ein langer Weg liegt noch vor Dir... Nach all dem Geschehen, das Du erfahren mußtest, weiß ich nicht, ob es richtig ist, sich den bisherigen Vergnügungen hinzugeben...

Aber in die Gegenwart eingreifen, damit sich die Zukunft ändert? - Bist Du Dir sicher, daß es keine noch negativeren Geschehnisse zur Folge haben wird?

Oder willst Du solange zwischen den Zeiten hin und her springen, bis alles gut verläuft???...

 

+++ COM-LOG, 3.1 - 3.4 [ 19 ] +++

gelöscht...

 

+++ COM-LOG, 4.1 - 4.6 [ 19 ] +++

gelöscht...

 

+++ COM-LOG, 5.1 [ 20 ] +++ STARDATE 49710,8

...Aber in die Gegenwart eingreifen, damit sich die Zukunft ändert? - Bist Du Dir sicher, daß es keine noch negativeren Geschehnisse zur Folge haben wird?

Oder willst Du solange zwischen den Zeiten hin und her springen, bis alles gut verläuft???...

 

Ich lese diese Worte, die noch unberührt auf dem Display zu sehen sind. Ich schrieb sie erst vor wenigen Minuten - und doch sind eineinhalb Zyklen vergangen! Ich habe nicht viel Zeit, will nur diese Aufzeichnungen an mich nehmen und DS9 verlassen. Es ist seltsam, alles wieder so zu sehen, wie es einmal war und gleichzeitig zu wissen, wie es sein wird. Es ist verwirrend, denn noch nie suchte ich den selben Ort ein zweites mal auf - daß sich diesmal die Zeiten derart überschneiden, bringt all die Geschehnisse wieder in meine Erinnerungen zurück, als wären sie gerade erst passiert. Dabei werden sie erst stattfinden...

 

Gleich zu Beginn dieses Aufzeichnungen muß ich allen, die meine Aufzeichnungen lesen, mitteilen:

Ich bin zurück und auf einer weiteren Reise.

Ihr könnt meine Abwesenheit gar nicht bemerkt haben, denn ich bin zeitlich lange vor Ablauf der vorigen Reise wieder hier gelandet. Das bedeutet, ich kenne alle Geschehnisse einige Monate im voraus und darf nicht eingreifen oder etwas preisgeben. Eigentlich hätte ich jetzt abwarten müssen, doch ich wollte es nicht, konnte es nicht...

Ich verbrachte inzwischen einen ganzen Zyklus in meiner Heimatwelt und nahm weiterhin teil an der Ausbildung meiner Schwester.

Mein jetziger Aufenthaltsort, von dem ich mich nur kurzfristig entfernen kann, ist dieses mal keine frühe Kultur. Euer Einfluß, Vid und Corin im besonderen, der während der letzten Reise immer stärker geworden war (für euch ist das eine Zukunft, die hoffentlich so vielleicht nicht mehr stattfinden wird, für mich ist es jedoch eine reale Vergangenheit), ließ mich davon Abstand nehmen.

Versteht ihr jetzt, wie kompliziert der Kontakt zu euch ist? (Hätte ich mich gleich nach dem Übergang gemeldet, so wüßtet ihr noch weniger über mich als zu diesem Zeitpunkt. Bleibe ich weiterhin mit euch in Kontakt, stellt ihr mir die gleichen Fragen zu meiner Person und Herkunft nochmals. - Ich werde damit klar kommen, auch wenn dieser Rücksprung sehr weit reichte..)

 

+++ COM-LOG, 5.2 [ 20 ] +++ STARDATE 49712,9

Ich habe DS9 ganz offiziell verlassen befinde mich derzeit auf einem Planeten im Delta-Quadranten. Auch von hier aus ist es für mich nicht weiter schwer den Kontakt zu euch zu halten. Das STARDATE werde ich beibehalten, da meine Zeit nun wieder mit eurer synchron verläuft. Daran ändert auch die Entfernung nichts.

Torana hat zeitgleich mit mir ihre zweite Reise angetreten - allein. Noch muß sie sich nicht entscheiden, auf welche Art sie Erfahrungen sammeln möchte. Sie ist ja gewissermaßen noch Anfänger. Doch schon ihre erste Reise und die Schulung auf Vulkan zeigten mehr als deutlich, das sie ein Förderer werden wird. Der Rat bestätigte die Vermutungen, deshalb ließ man sie auf Letoxa IV spezielle Ausbildungsprogramme absolvieren.

Der Aufenthalt in der Station 14 des Vendrata VI - Systems (Delta Quadrant) sollte jetzt zeigen, ob sie auch in der Praxis die notwendigen Anforderungen erfüllen kann.

Daß sie ein Förderer wird, stand bereits vor Antritt dieser Reise außer Frage. Es geht nur noch darum, wann sie in die Kaste der Förderer aufgenommen werden wird.

Die Vendratari sind ein Volk, das noch nicht auf der Entwicklungsstufe der Föderation steht. Dort nun sollte Torana einige Zeit ihre ersten Schritte als Förderer gehen. Sie muß dabei abwägen, wie tief sie eingreifen darf, wenn sie verborgene Gedanken und Ideen ans Tageslicht befördert. Ebenso muß sie den Weg dieser Ideen weiter verfolgen und lenken. Um dabei keine Fehler zu machen, ist es notwendig, die Denkweise des betreffenden Volkes, der ausgewählten Person zu verstehen.

Die abgelegene Station bietet ideale Voraussetzungen für den Lernprozeß und erste Versuche.

***

Ihr anderen, die ihr das hier lesen werdet, versteht das bitte nicht falsch. Wir benutzen niemanden als Versuchsobjekt für irgendwelche Zwecke! Es ist vielmehr eine Tätigkeit im Verborgenen, die viel Feingefühl erfordert. Ein Förderer tut nämlich nur genau das, was seine Bezeichnung ausdrückt. Er fördert bereits vorhandenes Potential. (Es wäre sehr leicht, unsere Technologien und weitere Errungenschaften weiterzugeben. Aber genau das ist strikt verboten, ebenso direkte Eingriffe in das Geschehen!) Als Potential betrachten wir natürlich nicht nur die wissenschaftliche Entwicklungsstufe sondern auch die kreativen Bereiche. - Literatur, Malerei, Bildhauerei, Musik, Politik und vieles mehr sind nicht weniger wichtig als Technik, nur weil sie oft weniger Beachtung finden.

Ihr alle (und viele weitere Völker) - auf euren Heimatplaneten waren diese speziellen Vertreter meines Volkes schon mehrfach am wirken. Eure Geschichte kennt Namen von etlichen Personen, die durch einen Förderer beeinflußt wurden!

Getarnt als Passagier eines kleinen Frachters sollte Torana die Station betreten und sich einen guten Grund suchen, dort zu verweilen. Obwohl sie noch immer keinen Holoprojektor besitzt (den erhält man erst mit der zweiten Stufe - vor der vierten Reise), dürfte ihr das keine Schwierigkeiten bereitet haben, denn einige meines Volkes sind ab und zu dort und unser wirkliches Aussehen nichts Fremdes.

Mehr weiß ich von meiner Schwester jetzt gar nicht. Sie fehlt mir nach all der gemeinsamen Zeit des Lernens und Prüfens.

Nach einem halben Zyklus soll ich sie aufsuchen, einige Tage betreuen und, wenn erforderlich, an einen anderen Ort begleiten. Ansonsten ist sie dann bis zum Ende der Reise wieder auf sich allein gestellt.

In wenigen Tagen werde ich dort sein, reise dieses mal mit einem Raumschiff.

 

Die letzten Tage verbrachte ich damit eure Dateien noch einmal zu lesen. Meine Antwort von damals kann und will ich jetzt nicht mehr abschicken. Ich las sie einige male, auch die darauf folgenden Dateien von euch und so weiter...

Meine Gedanken sind zerstreut, ich bedauere, daß ich nicht in der Nähe sein kann. - Aber vielleicht ist es besser so. Ich würde vermutlich ständig nur nach Dingen Ausschau halten, die mir zeigen könnten, ob sich die Zeitlinie verändert oder nicht.

Hier bin ich derzeit zu Hause, es könnte eine Reise wie die anderen zuvor sein, wenn nicht diese Erinnerungen wären.

 

Es fällt mir schwer euch anderen zu antworten, selbst Vid erscheint mir heute fremd. Die Zeitsprünge haben ihn ganz schön mitgenommen, was ich sehr gut verstehe. Wenn wir zusammen durch die Weiten des Alls streifen, wirkt er (sie? es??) wie ein alter Freund. Wir verstehen uns wortlos obwohl wir doch so verschieden sind. Seine Nachrichten dagegen wirken immer als ob er nicht weiß, wie er das Erlebte schildern soll. Unser Zalkonianer führt ein unruhiges Leben, ist hin und her gerissen, ist überall dabei und doch nirgendwo zugehörig. Eines Tages wird Vid sich selbst verstehen. Dann erst steht ihm wirklich alles offen. - Ein fernes Ziel, unmöglich vielleicht, aber dennoch erstrebenswert...

Was soll ich zu den Abenteuern von euch anderen schreiben? Die gleichen Worte wie vor einigen Monaten (nach meiner Zeitrechnung) will ich auch euch nicht mehr schreiben, sie scheinen mir so unwichtig. Ihr geht euren Weg, was solltet ihr auch anderes tun... Vielleicht bin ich ja dadurch abgelenkt, daß meine Reise nach Vendrata VI unmittelbar bevorsteht. Ich denke, es ist besser, wenn ich erst danach weiterschreibe...

 

+++ COM-LOG, 5.3 [ 20 ] +++ STARDATE 49715,9

Ich wollte die Station 14 im Vendrata VI - System aufsuchen.

Etwas äußerst Beunruhigendes ist dort geschehen. -

Die Station existiert nicht mehr! Sie wurde nicht zerstört, nein, sie ist völlig verschwunden! - An ihrer Stelle klafft jetzt ein riesiger Krater im Boden...

Es waren die Borg!

Nähere Untersuchungen ergaben, daß es vor etwa drei Phasen geschehen sein muß. Ich habe jetzt aber keine Informationen darüber, was mit Torana geschehen ist. Deshalb bin ich sehr in Sorge...

Angesichts der gespenstischen Überreste des Geschehens fragte ich mich, ob meine bisherigen Reisen nicht vergeudete Zeit waren. Sind die Ansichten des Rates der Wissenden nicht längst überholt? Ich habe dadurch zu wenige Informationen über das Zusammenspiel der Völker.

Der Alpha-Quadrant hat sich aber innerhalb weniger Jahrhunderte durch den Einfluß der Menschen sehr verändert. Eine Föderation, wie es sie hier gibt, ist ein Einzelfall. Zwar gibt es große Machtkonzentrationen in anderen Quadranten, doch kann man die Borg im Delta Quadranten und das Dominion im Gamma-Quadranten damit nicht vergleichen. Vielleicht wäre es gut, sich mit der Spezies Mensch näher zu beschäftigen. Sie ist so zielstrebig und neugierig und dadurch wohl kaum aufzuhalten in ihrem Drang, die Galaxie zu erforschen. Und - sie haben die Borg bereits einmal erfolgreich, wenn auch mit großen Verlusten, abgewehrt!

Sollten wir in der Vergangenheit zu viel Einfluß auf den Planeten, den sie schlicht ERDE nennen, gehabt haben?...

Meine Gedanken sind unkonzentriert...

Wenn ich wenigstens wüßte, ob meine Schwester in der Station war, als die Borg kamen! - Was, wenn sie nicht mehr rechtzeitig diesen Ort verlassen konnte? Wurde sie getötet oder assimiliert oder beendete sie selbst ihr Leben?...

Meine anschließenden Nachforschungen bei den Vendratari ergaben nichts, absolut nichts. Auch auf unserem ehemaligen Heimatplaneten fand ich keinerlei Spuren von ihr.

Ich werde mich wohl damit abfinden müssen, daß Torana, genau wie alle anderen, nicht mehr entkommen konnte.

Noch nie fühlte ich mich so hilflos. All unser Wissen nützt in solch einem Fall nichts mehr.

Ich bin seitdem unruhig und in Sorge. Wie soll ich abwarten, bis diese Reise endet? Wie soll ich solange die Ungewißheit ertragen?

Es ist bereits viele Tage her, doch noch immer habe ich die gleichen Gedanken...

»Ihr werdet assimiliert. Widerstand ist zwecklos.« - So lautet die Botschaft, die von den Borg verbreitet wird. Oft genug gelingt es ihnen, sie in die Tat umzusetzen.

Ihr wißt es. Und wir wissen es auch.

Es wäre für mein Volk nicht schwer, die Borg aufzuhalten oder auch zu vernichten. Aber wir werden das nicht tun, weil wir nicht das Recht dazu haben! (Was das Potential anbelangt, so sind weder das Dominion, die Föderation oder eine andere Macht ein ernster Gegner für mein Volk. - Würden wir eingreifen, wären wir aber nicht besser als der Gegner selbst. Wir streben nicht mehr nach Größe und Macht. Wir sind Behüter und Förderer...)

Bisher haben wir einfach den Kontakt zu den Borg vermieden, dank der Portale gelang es den betroffenen Reisenden bisher immer, der Bedrohung zu entgehen.

Vielleicht gelang das ja auch Torana. Sie hatte außergewöhnlich frühzeitig gelernt, diese Portale zu öffnen und auch zu kontrollieren, ein Ziel wäre in diesem Fall nahezu unwichtig gewesen. - Allerdings kennt sie meinen derzeitigen Aufenthaltsort und ist dennoch nicht hier eingetroffen...

Ich kann nicht glauben, daß ihr etwas zugestoßen ist.

Ich will es nicht glauben...

Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf.

Hoffnung, daß sie nicht getötet oder assimiliert wurde, sie nicht dazu gezwungen war, selbst ihr Leben zu beenden.

Doch - was, wenn sie es nach der Assimilierung nicht mehr vermochte, sie jetzt ein Teil des Borg-Kollektivs ist?

Bisher hatte mein Volk tatsächlich noch keinen direkten Kontakt zu dieser organisch-kybernetischen Spezies.

Die Folgen wären nicht abzusehen, würden die Borg auch nur einen Bruchteil unserer Technologie bekommen!!! Die Reichweite ihrer Schiffe wäre dann nicht mehr an die Warptechnologie gebunden!

Zwar verfügen wir über komplexe Verfahren, unsere Gedanken und unser Wissen abzuschirmen - doch, würden sie in diesem speziellen Fall wirklich ausreichen? Kann es einer einzelnen Person überhaupt gelingen, dem Einfluß des Borg-Kollektivs vollständig Widerstand zu leisten???

All ihr Freunde von Vid - betet zu Euren Göttern, so Ihr noch welche habt, daß es den Borg nicht gelungen ist, unser Wissen zu erlangen. Sie würden dann nicht mehr aufzuhalten sein!!!

Ich kann nichts tun, gar nichts, und muß wohl oder übel abwarten, bis die Zeit gekommen ist, nach Hause zurückkehren zu können.

Wenn bis dahin die Borg diese Galaxis nicht assimiliert haben...

Mir bleibt nichts anderes übrig als auszuharren. Am Ende eines jeden Zyklus öffnet sich der Übergangsraum zwischen dieser und unserer Welt. Wir Reisenden werden so zurückgeholt, ob wir das wollen oder nicht. Anfangs versuchte ich, das zu verhindern, wollte nicht fort von dem Volk, in das ich mich gerade eingelebt hatte...

Aber wir dürfen nicht bleiben! - Kehrt ein Reisender nicht zurück, so ist er mit Sicherheit nicht mehr am Leben. - Nun, allzu schnell passiert uns nichts. Wir verfügen über umfassende medizinische Ausrüstung und eine gut geschulte Selbstheilung. Auch der Tod schreckt uns nicht, denn für die Kaste der Reisenden ist er nicht so endgültig...

 

+++ COM-LOG, 5.4 [ 20 ] +++ STARDATE 49717,5

Der Kalender der Menschen schreibt das Jahr 2373. Die Föderation hat ein neues Schiff gebaut, die "U.S.S. Enterprise NCC-1701-E". Das Flagschiff der Sternenflotte trägt bereits seit Jahrzehnten diesen Namen. - Tradition oder Hoffnung? Was wird die Zukunft diesmal für dieses Schiff bringen?

Der Zufall (namens Vid) wollte es, daß ich mich gerade über dieses Schiff informiert habe. An Bord befindet sich eine Ärztin namens Beverly Crusher, die ja, wie Vid bemerkte, ihren Sohn sucht.

Nun - ich weiß nichts. Auch entspricht das, was ich einigen Aufzeichnungen entnehmen konnte, nicht dem, wie sich ein Vertreter meines Volkes verhalten würde. Wir treten nicht so offen in Erscheinung und verwenden andere Technologien. Nein - wir sind nicht jenes Volk, dem der REISENDE, den die Besatzung der "Enterprise" kennenlernte, angehört.

Einige weitere interessante Dinge erfuhr ich noch, während ich die frei zugänglichen Dateien dieses Schiffes durchstöberte. Zum einen hat dieses Schiff zweimal Kontakt mit den Borg gehabt. Ich glaubte, mich verlesen zu haben, als ich erfuhr, daß ein gewisser "Q" die erste Begegnung angezettelt hatte! Daß er somit zum Auslöser des Angriffs der Borg auf die Heimatwelt der Menschen wurde, brauche ich wohl nicht zu betonen...

Noch weitere Informationen weckten mein Interesse. Das Schiff hatte offensichtlich viele ungewöhnliche Begegnungen. Besonders neugierig macht mich diese Dyson-Sphäre!

 

Seltsam, ich mache Pläne, diese Objekt selbst aufzusuchen, obwohl das nicht zu Aufgabenbereich meiner derzeitigen Reise gehört. Besser wäre es, dem Rat die Informationen zu überbringen, so daß eine umfassendere Untersuchung eingeleitet werden kann. Doch - bis dahin ist es noch lange hin. Derzeit kann ich keinerlei Mitteilungen nach Hause senden.

Torana...

Diese Dyson-Sphäre lenkt meine Gedanken ab und stabilisiert sie dennoch. Es nützt niemandem, wenn ich mir den Kopf über das Verbleiben meiner Schwester zerbreche. Ich habe ja auch keinerlei Informationen über ihren jetzigen Aufenthaltsort. Ich kann auch nicht einfach die Datenbanken eine Borgschiffes anzapfen. Wir Erfahrungen Suchenden dürfen uns den Borg nicht nähern! Es geht dabei nicht nur um unser Leben. Nein, vielmehr ist es die Wesensart der Borg, die eine Begegnung ausschließt. Ich schrieb es schon...

Was bleibt mir also zu tun?

Seltsamerweise haben wir einen Borg in unserer "Mitte".

MICHAEL, jetzt bist Du zwar äußerlich wieder ein Mensch, aber es scheint mir, als ob Dich das Leben im Kollektiv zu sehr geprägt hat, als daß Du unter Menschen leben könntest...

Du wirst mit Sicherheit auch keine Informationen für mich haben, da Deine Erlebnisse einige Zeit zurückliegen. Dennoch möcht ich dich bitten, es mir mitzuteilen, wenn Du etwas über das Vendrata - System weißt.

Andererseits reizt mich die Vorstellung ein Borgschiff zu betreten, auch wenn es eigentlich nur ein Bruchteil davon ist. - Wäre ich willkommen in Deiner Nähe?

 

+++ COM-LOG, 5.5 [ 20 ] +++ STARDATE 49718,5

Es ist wohl besser, wenn ich nicht krampfhaft versuche, hier und jetzt etwas aufschreiben zu wollen.

Ich habe genug gesagt...

 

Aina Matano

 

NACHTRAG AN ALLE:

Bitte meidet die sich ab und zu öffnende Raumverzerrung im Bereich der Welten der Klingonen und Romulaner. Sie wechselt ihre Koordinaten und verändert sich ständig. Jegliche Raumschiffe, die versuchen, sich der Verzerrung zu nähern, sind gefährdet.

Wer natürlich riskieren will, in einer zufällig entstehenden Warpblase zu enden, den kann ich nicht davon abhalten!

Jegliche zusätzliche Störung im Bereich dieser Anomalie hat nicht vorhersehbare Auswirkungen.

Ich habe bereits die Sternenflotte darüber informiert (informieren müssen), denn bald wird sich die Anomalie in den Raum der Föderation verlagern...